Gudrun Kauck: Phantom der Oper, Gaston Leroux, Charaktere: Christine Daaé, Spiegel

Die Charaktere aus „Das Phantom der Oper“:

Christine Daaé

 

 

Die Frage nach Christine Daaé ist nicht so schwer zu beantworten wie die Frage nach dem Phantom. Trotzdem gibt es auch bei Christine abweichende Darstellungen in Buch und Musical. Ich werde versuchen, die Geschichte der Christine nach Leroux zu erzählen und auch die Abweichungen dazu im Musical darzustellen.

 

  1. Christine im Roman von Gaston Leroux
  2. Christine bei Susan Kay
  3. Christine bei A.L. Webber
  4.  Meine ganz persönliche Meinung zu der Figur Christine

 

1. Christine Daaé  - im Roman von Gaston Leroux

 

Christine Daaé wurde in Schweden als Tochter eines bekannten Geigenbauers geboren. Als sie sechs Jahre alt ist, stirbt ihre Mutter. Der Vater zieht dann mit seiner Tochter über die Jahrmärkte und verdient sein Geld mit Geige spielen. Christine scheint das musikalische Talent ihres Vaters geerbt zu haben und sie hat auch eine schöne Stimme. Sie wächst beschützt und behütet auf, aber das Geld ist immer sehr knapp. Das ändert sich, als der Vater von einem Gönner entdeckt wird. Christine und ihr Vater kommen so nach Frankreich, wo der Vater als Geigenvirtuose bekannt wird.

 

Aber bald stirbt der Vater und Christine bleibt im Hause der Gönner, Monsieur und Madame Valerius zurück. Um Christine zu fördern schicken sie sie an die Pariser Oper, wo sie eine Ausbildung im Corpes de Balett er hält. Aber Christine hat nach dem Tod des Vater Stimme, Seele und Genie verloren. Sie hofft, dass der Vater sein Wort hält und ihr einen „Engel der Musik“ schicken wird, der sie beschützen wird.  Immer wenn sie das Grab ihres Vaters besucht, bittet sie den Engel immer um Hilfe und Unterstützung.

 

In ihrer Garderobe hört sie eines Tages eine geheimnisvolle Stimme. Ein strenger Lehrer, in dem sie ihren vom Vater geschickten „Engel der Muse“ sieht, gibt ihr fortan Unterricht im Singen und er stellt sie unter seinen persönlichen Schutz.

Niemand sieht den Unbekannten und niemand außer Christine hört  die Stimme des geheimnisvollen Unbekannten, aber es geschehen unheimliche Dinge im Opernhaus.

Nach einer merkwürdigen Erkrankung der Operndiva Carlotta darf Christine für sie einspringen und singt mit überwältigendem Erfolg die Hauptrolle in der Oper (Faust von Gounot?)

 

 

Als die Leitung der Pariser Oper wechselt, wird auch der neue Protegé vorgestellt – Philippe, Vicomte de Chagny. Sein jüngerer Bruder Raoul begleitet ihn und entdeckt überraschend auf der Bühne seine Jugendliebe Christine wieder. Er merkt auch, dass er noch etwas für sie empfindet und möchte sie wiedersehen.

Christine und Raoul kennen sich schon von Kindheit an. Beide erinnern sich an eine Begebenheit am Meer, als Raoul mutig die Schärpe von Christines Kleid aus dem Meer fischt. Sie sind in etwa gleichaltrig.

 

Christine scheint nach dem erfolgreichen Auftritt wie in Trance und erkennt Raoul nicht wieder, der in ihre Garderobe gefolgt ist und sie dort umarmen möchte. Sie schickt ihn mit allen anderen raus, aber Raoul wartet vor der Tür und hört dann plötzlich eine merkwürdige Stimmen in dem Raum, die Christine strenge Anweisungen gibt.  Als er wenig später die Garderobe untersucht, findet er niemanden mehr dort vor.

Die seltsamen Geschehnisse in der Oper nehmen zu und es tauchen auch immer wieder Briefe auf, in denen das Phantom Forderungen stellt. Werden diese nicht eingehalten, droht er schlimme Folgen an – die dann auch eintreten.

Christine zieht sich aus der Öffentlichkeit zurück. Sie ist verängstigt und sucht wieder Schutz und Hilfe am Grab des Vaters in Perros-Guirec. Raoul ist ihr nachgereist. Er gibt sich ihr zu erkennen, aber sie erschrickt und weist ihn zurück. Später kommen sie dann doch ins Gespräch und sie erzählt im von ihrem „Engel“, der sie in ihrer Garderobe besucht und ihr Gesangsstunden gibt.  Als er ihr nicht glaubt und sogar sagt, dass sie jemand zum Narren halten will, zieht sie sich wieder von ihm zurück.

 

- noch in Bearbeitung –

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2. Christine Daaé  - im Roman von Susan Kay

 

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3. Christine Daaé  - im Musical von Andrew Lloyd Webber:

 

Wie schon beim Phantom lehnt sich Webber stark an die Romanvorlage an. Lässt aber viele Fragen offen oder setzt einfach voraus, dass man Christine schon kennt.

Im Musical ist Christine ein Mädchen aus dem Chor de ballet, das unter besonderem Schutz von Madame Giry, der Leiterin der Gruppe, steht. Warum das so ist, bleibt offen, aber man kann vermuten, dass die Tochter von Madame Giry, Meg Giry, und Christine zusammen aufgewachsen sind. Madame Giry weiß von den Treffen ihres Schützlings mit dem Phantom – und sie scheint damit einverstanden zu sein. Sie bezeichnet ihn als „einen guten Lehrer“.

 

Da Webber die Figur des Philipp nicht erwähnt, tritt Raoul selbst als Förderer der Oper auf. Er erkennt Christine erst wieder, als sie die Rolle von Carlotta in der Oper übernommen hat. Christine erkennt ihn sofort wieder und erinnert sich gern an die Jugendzeit zurück. Sie zögert aber, sich mit Raoul zu verabreden, weil sie spürt, dass das ihr geheimer Lehrer nicht möchte. Ob sie wirklich Angst vor dem Phantom hat oder ob es eine magische Anziehung oder noch mehr ist, bleibt unserer Phantasie überlassen. Jedenfalls folgt sie ihm widerstandslos als er sie entführt, um das Treffen mit Raoul zu verhindern.

 

Im Versteck des Phantom schreckt Christine vor einer Puppe zurück, die ihr Ebenbild zu sein scheint und ein Brautkleid trägt. Sie wird ohnmächtig und vom Phantom danach liebevoll auf das Bett gelegt, wo sie schläft, während er seine Kompositionen fortsetzt. Als sie dann wieder erwacht, hat sie aber keinerlei Angst vor dem Mann mit der Maske, sondern sie bewegt sich neugierig und arglos auf ihn zu und nimmt ihm sogar die Maske vom Gesicht. Was sie wohl erwartet hat, dass sie so mutig diesen Schritt wagt?  Denkt sie etwa, dass sie einen Engel darunter findet?

 

Um so mehr erschrickt sie dann über die Reaktion des Phantoms, der zuerst wütend auf sie loszugehen scheint, dann aber verzweifelt und hilflos erscheint – aber er äußert auch zum ersten Mal, dass er sie liebt. Trotzdem oder gerade weil sie ihn in dieser Verfassung erlebt hat, bringt er sie zurück in die Oper. Christine ist verängstigt und sucht Schutz und Hilfe bei Raoul.

Noch weigert sich die Theaterdirektion, den Forderungen des Phantoms nachzugeben und Christine anstatt Carlotta in der Oper „Il Muto“ die Hauptrolle singen zu lassen. Nun macht das Phantom aber seine Drohung wahr, nimmt Carlotta die Stimme – nun muss Christine die Hauptrolle übernehmen.

Christine hat Angst. Sie flieht mit ihm aufs Dach des Opernhauses. Gemeinsam planen sie eine Flucht und sie gestehen sich ihre Liebe. Sie wissen jedoch nicht, dass sich das Phantom hinter der Apollo-Figur versteckt und alles mit anhört. Die Liebesschwüre von Christine sind zu viel für ihn. Er macht seine Drohung wahr und lässt ein schlimmes Unglück geschehen – der schwere Kronleuchter stürzt donnernd auf die Bühne. Raoul kann Christine im letzten Moment in Sicherheit bringen.

 

Der zweite Akt beginnt recht fröhlich. In der Oper findet der Maskenball statt und Christine und Raoul feirn mit. Sie haben allen Grund dazu, denn sie haben sich heimlich verlobt. Dass die Gefahr noch nicht vorbei ist und das Phantom noch immer seine unsichtbare Macht ausübt, ahnt Christine. Sie will nicht, dass ihre Verlobung bekannt wird. Ob das aus Angst vor der Strafe des Phantoms ist oder ob sie ihn nicht verletzen will, weil er ihr ja praktisch ein Vaterersatz war, kann man aus ihrem Verhalten nicht erkennen.

Die fröhliche Maskenballfeier wird jäh unterbrochen, als sich das Phantom ebenfalls verkleidet auf dem Maskenball einstellt. „Der Rote Tod“ ist eine ebenso erschreckende Maske wie sie eigentliches Aussehen. Er übergibt den direkten seine selbst geschriebene Oper und fordert sie auf, die mit Christine in der Hauptrolle aufzuführen. Dass Christine noch immer in seinem Bann steht, merkt man aber auch sehr schnell – wie von unsichtbarer Hand geführt, bewegt sie sich auf ihn zu. Wütend entreißt er ihr die Kette mit dem Verlobungsring und verschwindet wieder.  

 

Christine hat Angst davor, wieder entführt zu werden. Raoul spielt sich als großer Beschützer auf und fordert Christine auf, in der Oper mitzuspielen, damit man dem Phantom eine Falle stellen kann. Die Proben zur Oper zeigen, dass Christine der Forderung nachgegeben hat und die Hauptrolle übt. Sie zeigen aber auch, dass das Phantom aller hört und immer anwesend ist.

 

Christine sucht Schutz und Hilfe am Grab ihres Vaters. Sie fleht ihn an „Könntest du doch wieder bei mir sein“. Diese Worte hört natürlich kein anderer als das Phantom, der sich mal wieder als Engel ausgibt und Christine beschützen will. Er hat sie noch immer in seinem Bann und würde sie auch entführen, käme nicht Raoul im letzten Moment dazwischen. Das Phantom ist wütend und verkündet, dass es nun zum Krieg zwischen ihnen kommen würde.

 

Die Direktoren haben zusammen mit Raoul beschlossen, dem Phantom während der Aufführung der Oper „Don Juan“ eine Falle zu stellen. Christine spielt mit, auch wenn ihr nicht ganz geheuer dabei ist. Christine spielt in dieser Oper die Figur, die das Phantom sich ausgedacht hat, wie er sie sehen möchte. Sie spielt eine verführerische junge Frau, die Geld dafür bekommt, dass sie sich mit einem unbekannten Herrn trifft.

Man hat das Gefühl, dass sich Christine in dieser Rolle wohl fühlt. Sie geizt nicht mit ihren Reizen, lockt verführerisch mit einem Apfel und macht den Eindruck, als wäre sie auch mehr nicht abgeneigt. Der Mann, der sich unter einem Umhang versteckt hält, lässt sich verführen – aber plötzlich entdeckt sie, dass sie da nicht mit dem vermeintlichen Piangi flirtet. Die spürt unter dem Umhang die Maske und erschrickt – will fliehen. Das Phantom hat sie aber blitzschnell ergriffen und zieht sie wieder zur Mitte der Bühne. Um zu beweisen, dass dies das Phantom ist, reißt Christine ihm die Kapuze herunter – man sieht nun die Maske. Bisher hatten beide die Rollen, die die Oper vorgibt, gespielt, aber das ändert sich schnell, als das Phantom Raoul’s Worte wiederholt, die er Christine auf dem Dach zugeflüstert hatte. „Gib mir Liebe und den Mut zu leben…“ Christine erstarrt als sie diese Worte aus dem Mund des Phantoms hört. Sie sucht einen Ausweg, aber das Phantom geht noch weiter – er gibt ihr seinen Ring. Da weder Raoul noch die Direktoren ihr zur Hilfe kommen, weiß sich Christine nur noch mit einem Mittel zu schützen – sie reißt ihm die Maske herunter. Bei der ersten Entführung hatte sie ihn damit schutzlos gemacht. In der Hektik jedoch, reißt sie zusammen mit der Maske auch die Perücke herunter. Der Schreck sitzt allen ganz tief – das Phantom handelt als erster, er schnappt Christine und zieht sie mit sich in sein Labyrinth.

 

Verfolgt von einer wütenden Meute bringt das Phantom Christine in sein Versteck. Sie muss das Brautkleid anziehen, das vorher noch die Puppe im Spiegel getragen hat, aber sie hat sich inzwischen wieder soweit gefangen, dass sie wütend auf ihn sein kann. „Ist dein Durst gestillt?  Schreit nun deine Gier nach Fleisch?“ schleudert sie ihm wütend entgegen. Zum ersten Mal erklärt er, warum er diese Maske trägt. Da kommt Raoul vor dem Versteck an und wird prompt vom Phantom eingelassen – und mit dem indischen Lasso gefangen. Raoul gesteht seine Liebe zu Christine und macht das Phantom damit nur noch wütender. Das Phantom stellt Christine ein Ultimatum – entweder sie bleibt bei ihm und erkauft damit Raoul die Freiheit, oder sie verschmäht ihn und tötet somit Raoul.

 

Raoul fleht Christine an, ihn sterben zu lassen und selbst in Freiheit zu leben. Das Phantom wiederholt seine Forderung und stellt fest, dass es von nun ein kein Zurück mehr geben kann. Christine aber wird immer wütender. Sie stellt sich vor Raoul und verteidigt ihn und sie erkennt, wie arglos sie war – wie naiv, dass sie ihn für einen Engel gehalten hat.

Da kommt es zu einer Wende – das Phantom erkennt, dass sie ihn jetzt mit anderen sieht. Er sieht seine Geduld am Ende und flüstert ihr wütend diese Worte ins Ohr. Christine aber erkennt die Verzweiflung, die das Phantom spaltet. Sie sieht nicht mehr nur das Monster, sondern erkennt einen zutiefst unglücklichen Menschen – und sie erkennt, dass der Liebesschwur auf der Bühne ernst gemeint war. Nun gibt sie ihm den Kuss, den er ihr eigentlich vorhin auf der Bühne schon geben wollte – und es vollzieht sich eine Wandlung. Verunsichert durch seine eigenen Gefühle stößt das Phantom Christine von sich. Er kann mit diesem ihm völlig fremden Gefühl der Liebe und Zuneigung nicht umgehen. Nach langem Zögern gibt er Raoul frei und schickt Christine und Raoul weg. Er will allein sein…..

 

Christine hat den Ring noch am Finger, den das Phantom ihr auf der Bühne gegeben hatte. Den bringt sie nun zurück und findet einen völlig verzweifelten Menschen vor. Noch einmal zögert sie, sie möchte ihm helfen, aber sie weiß auch, dass sie das eigentlich gar nicht kann. Sein verzweifeltes „Christine, ich liebe dich“ klingt noch nach als sie zu Raoul zurückgeht und mit ihm zusammen aus dem Versteck fliehen kann – in ein gemeinsames Leben mit Raoul.

Das Phantom hat zum ersten und vermutlich auch zum letzten Mal erlebt, was es heißt geliebt zu werden und vor allem, was es heißt zu lieben – er verschwindet für immer.

 

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  1. Meine persönliche Meinung:

 

Christine ist ein junges Mädchen, das nach dem Tod des Vaters einsam und alleine zurückbleibt. Sie klammert sich an einen Strohhalm – eine winzige Hoffnung - , den ihr Vater ihr auf dem Totenbett noch gegeben hatte. Er wolle ihr einen Engel schicken, der sie beschützen würde. Ob das Phantom damals schon mitgehört hatte oder ob es sich aus einer Situation ergeben hat, dass er sich nun als Christines Engel ausgibt, haben wir nicht erfahren. Sie glaubt fest daran, dass diese angenehme, freundliche Stimme nur der Engel sein kann, den ihr Vater geschickt hat. Kindlich naiv, aber sicher auch ein Selbstschutz zum Überleben in einer schlimmen, hoffnungslosen Zeit.

 

Lange Zeit geht alles seinen Gang – Christine lernt singen, sie vertraut der Stimme, fühlt sich sicher. Alles ändert sich, als Raoul wieder in ihr Leben tritt. Was wäre passiert, wenn er nicht gekommen wäre? Sicher wären nicht so schlimme und dramatische Vorgänge in der Oper geschehen!

 

Raoul und Christine verlieben sich wieder und das Phantom wird eifersüchtig. Auch er liebt Christine, obwohl er bis zu dem Auftauchen von Raoul dieses Gefühl vielleicht gar nicht definieren konnte. In der „Musik der Nacht“ gesteht er indirekt zum ersten Mal seine Gefühle – und auch Christine erfährt, dass er mehr ist als ein Engel und Lehrer. Sie fühlt sich zu ihm hingezogen – bis die kindliche Neugier wieder siegt und sie ihm die Maske entreißt. Jetzt lernt sie ihn von einer ganz anderen Seite kennen – er ist verletzbar und gar nicht mehr so stark wie vorher. Dass sie ihn so gesehen hat, macht ihn wütend und er bringt sie schnell zurück ins Theater.

 

Christine möchte nicht der Spielball zwischen den Streitereien von Direktoren, Raoul und Phantom sein, aber sie kann nicht aus dieser Rolle entfliehen. Das Phantom ist immer und überall in ihrer Nähe, beobachtet und belauscht sie – sie kann so nicht leben und ist bereit, bei der Gefangennahme zu helfen.

 

Christine kennt die Stärken und Schwächen des Phantoms und in ihrer Verzweiflung nutzt sie diese auch aus. Sie reißt ihm die Maske noch einmal herunter – im vollen Bewusstsein, dass er nun wieder hilflos vor ihr sein wird. Sie ist auch stark genug, sich ihm zu widersetzen, aber als sie merkt, dass er ja eigentlich ein verzweifelter, zutiefst unglücklicher Mensch ist, der Liebe und Zuneigung verdient hätte, kommt sie in einen Gewissenskonflikt. Sie entscheidet sich für Raoul und gegen das Phantom. Im 19. Jahrhundert eine absolut verständliche Entscheidung. Dass sie sich die Entscheidung nicht leicht gemacht hat, konnte man deutlich spüren! – aber wer weiß, wie sie entscheiden würde, wenn die Geschichte heute spielen würde?

 

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 ©Gudrun Kauck, Januar 2006