Kuss der
Spinnenfrau
Musical von John Kander und Fred Ebb nach dem Roman von Manuel Puig Inszenierung des Landestheaters Thüringen in Eisenach Premiere 19. März 2005 |
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Ein
schwieriger Stoff für ein Musical, an den sich das kleine Landestheater in
Eisenach da herangewagt hatte. Zur Unterstützung des eigenen Ensembles waren
acht Künstler engagiert worden. Darunter auch – und das sehr zu unserer
Freude!!!! – Gaines Hall. Die
Premieren-Besetzung: Molina
- Gaines Hall Valentin
- Thomas Christ Aurora,
die Spinnenfrau
- Jackie Löwe |
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Die
gesamte Handlung findet im Militärgefängnis eines totalitären Regimes statt.
Wir blicken genau in die Zelle des homosexuellen Schaufensterdekorateurs Luis
Alberto Molina (Gaines Hall), der eine Haftstrafe von acht Jahren wegen
„Unzucht“ verbüßt. Drei Jahre seiner Haft sind bereits vorbei. Er hat sich
die grausame, sehr brutale Haft erleichtert, indem er sich immer wieder in
eine Traumwelt flüchtet. Wie früher in dem Kino, in dem seine Mutter als
Platzanweiserin gearbeitet hat, flüchtet er sich in die Phantasiewelt der
Hollywoodfilme. Besonders hat es ihm dabei Aurora angetan, die in einem Film eine
Spinnenfrau spielte. Aber alle
Menschen, die sie küsste, starben kurz danach – und deshalb liebt sie Molina
einerseits, andererseits macht sie ihm aber auch Angst. In die
gleiche Zelle wird der linksradikale, politische Aktivist Valentin Arregui
(Thomas Christ) gebracht – brutal zusammengeschlagen. Zwei Außenseiter eines
diktatorischen Regimes, die nun ihre Zeit in einer Zelle verbringen müssen. Molina
versucht mit seiner oberflächlich leicht wirkenden Art das Eis zu brechen und
die Zeit zusammen so erträglich wie möglich zu machen. Gaines singt hier das Lied „Stil und Dekor“, das aus seiner Zeit als
Schaufensterdekorateur erzählt. Er liebt alles Schöne, Glitter und Glanz –
und das singt und tanzt er in diesem Lied auch. Eines der wenigen Lieder im
ganzen Stück, das nicht sentimental oder traurig macht. Valentin
ist misstrauisch und zieht eine imaginäre Trennungslinie in der Zelle. Es wirkt so liebevoll-naiv wie Molina in dieser Szene gar nicht
wahrnehmen will, dass Valentin nichts mit ihm zu tun haben möchte. Der
Alltag im Gefängnis ist grausam – es wird gefoltert, misshandelt und
korrumpiert. Die Aufseher spielen die Gefangenen gegeneinander aus. Mit
kleinen Vergünstigungen entlocken sie ihnen, was die Mitgefangenen ihnen
anvertraut haben. |
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Da Valentin
auch nach der Folter nicht zu Geständnissen bereit ist, versucht die
Gefängnisleitung Molina die gewünschten Informationen zu entlocken. Zwar
versucht er sich zu widersetzen, aber er wird erniedrigt und zu sexuellen
Handlungen missbraucht. Selbst Valentin kann nicht verstehen, dass er sich
das alles gefallen lässt. Die beiden Männer kommen ins Gespräch und vertrauen
sich ihre Geheimnisse an – und sei es auch nur durch Selbstgespräche im
Schlaf. |
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Molina
wird angeboten, dass er seine Mutter wieder einmal sehen darf, wenn er
verrät, wer die Verbündeten und Freunde von Valentin sind. Molina will
integer zu bleiben und versucht mit allen Mitteln, den Auftrag zu
unterlaufen. Auch Folter und weitere Erniedrigungen können ihn nicht
umstimmen. Um dem schlimmen Alltag zu entfliehen, zieht er sich immer wieder
in seine sentimentale Phantasiewelt zurück. Er sieht darin seine einzige
Chance, diesen Albtraum zu überleben und er fordert Valentin auf, doch
mitzukommen und sich einfach in eine andere Welt zu träumen. Die Umsetzung der Traumszenen fand ich ausgesprochen gut gelöst. Hinter
dem Drahtvorhang ist die Bühne hell erleuchtet – so als würde dort ein Film
gedreht. Aurora singt die Lieder und Molina steht in seiner Zelle, bewegt den
Mund synchron und macht die gleichen Bewegungen, wie die Frau (Aurora) im
imaginären Film. Valentin
kann Molina nicht verstehen. Er hat Sehnsucht nach seiner Geliebten Marta und
träumt immer noch von dem Sieg der Revolution. Trotzdem entwickelt sich
zwischen den beiden so unterschiedlichen Männern eine Freundschaft. Sie
vertrauen sich ihre Geheimnisse an. Weil
Valentin auch durch die Folter zu keinen Geständnissen bereit ist, soll er
nun vergiftet werden. Molina, der von den Aufsehern ja immer noch benutzt
wird, bekommt einen Tipp. Aber Valentin greift nach der Schüssel, mit weniger
Brei, weil er Molina etwas Gutes tun möchte. Die Schüssel mit der größeren
(vergifteten) Menge, die eigentlich für ihn bestimmt war, schiebt er Molina
zu. Um seinen Freund zu
schützen, isst der auch den vergifteten Brei, der eigentlich für Valentin
gedacht war. Molina stirbt fast an dem Gift und kommt auf die Krankenstation.
Dort wird er unter Drogen einer Gehirnwäsche unterzogen, aber er verrät
seinen Zellengenossen nicht. Hier kommt ihm die Spinnenfrau ganz nah und fast
erhält er auch von ihr den Todeskuss. Aber er kann gerade noch einmal
entkommen. Als
letztes Mittel setzt die Gefängnisleitung dann die Mutter Molinas ein. Er
liebt seine Mutter über alles und nun soll sie todkrank sein. Wenn er die
Freunde von Valentin nennen kann, darf er seine Mutter besuchen. Molina gerät
in einen Zwiespalt, aber er verrät Valentin nicht – egal welche
Vergünstigungen ihm angeboten werden. Er teilt die zusätzlichen
Essensrationen sogar mit Valentin, der dahinter aber Zuwendungen von Molinas
Mutter sieht. Valentin
vertraut Molina inzwischen und er lässt sich sogar von ihm in seine imaginäre
Filmwelt einladen und er geht sogar auf seine sexuellen Wünsche ein. Die Gefängnisaufseher
beobachten dies und nutzen wieder einmal Molina für ihre Zwecke aus. Man
entlässt ihn vorzeitig und wie erwartet bittet ihn Valentin darum, Marta,
seiner Geliebten und Guerilla-Freundin, eine Nachricht zukommen lassen. Molina
gerät in einen starken Gewissenskonflikt. Er hat einem Freund diesen
Botendienst versprochen und sein Gewissen sagt ihm, dass er dieses
Versprechen auch einhalten muss. Ihm ist aber auch klar, dass dies sicher
eine Falle sein wird und man ihn wieder einsperren wird. Trotzdem ruft er
Marta im Auftrag von Valentin an. Natürlich
war es eine Falle – aber es sind letztendlich die Guerillas, die in ihm einen
Spitzel vermuten, und ihn erschießen. Sein
ganzes Leben läuft für Molina in Form eines Filmes noch einmal ab. Alle Personen
seines Lebens sind Zuschauer im Kinosaal und er spielt die Hauptrolle. Zum
Ende des Filmes trifft er die Spinnenfrau und sie gibt ihm den Todeskuss. Diese Szene ist auch sehr gut gelöst. Die Bühne scheint ein Kinosaal zu
sein, in dem die Zuschauer gerade Platz nehmen – diese Szene ist als Film auf
den Drahtvorhang projiziert. Zeitgleich nehmen aber auf tatsächlichen Stühlen
hinter dem Vorhang die Figuren aus dem Leben Molinas Platz. Molina in der
Gegenwart spielt in einem Film und Molina auf der Leinwand spielt in einem
Film. Der reale Molina wird von dem Guerilla erschossen, während der
Film-Molina noch lebt. Der Film läuft noch eine Weile weiter, ehe auch dort
der Schuss fällt und der Film-Molina zusammenbricht. Die Realität hat die
Phantasie überholt...... |
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Das
Musical hat trotz vieler lateinamerikanisch-leicht wirkender Musikstücke
insgesamt einen sehr schwermütigen Eindruck bei mir hinterlassen. Ein
sehr eindrucksvolles Bühnenbild, das mit ganz einfachen Elementen arbeitet,
hat durch minimale Requisiten überzeugt. Da ist die Zelle, die die gesamte
Bühnenbreite einnimmt, mit den beiden Pritschen und dem Klo. Abgeteilt vom
Rest der Bühne durch einen Drahtvorhang, hinter dem je nach Beleuchtung die
alten Hollywoodfilme erstrahlen oder düstere Gefängnisvisionen mit Folter und
Misshandlungen. Sobald
sich dieser Vorhang öffnet, tritt die Realität näher. Die Spinnenfrau kann so
auch bis zur Zelle von Molina und Valentin vordringen – sonst erscheint sie
immer nur in kurzen Einblendungen hinter dem Drahtvorhang oder als große
Hollywooddiva in den Filmsequenzen. |
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Eine sehr schwierige Rolle, die Gaines Hall da übernommen hat. Die Rolle
des Homosexuellen, der sich von den Aufsehern erniedrigen und demütigen lässt.
Um dieses Gefängnis überhaupt überleben zu können, flüchtet er in eine
Scheinwelt. Gaines spielt das sehr eindrucksvoll – wenn die Aufseher da sind,
wirkt er kindlich naiv und manipulierbar, aber wenn er alleine ist, dann ist
er stark. Dann kann er alle besiegen – so wie die Helden in den alten Filmen.
Als er dann Valentin kennen lernt, der ebenso wie er unter der Militärjunta
leidet wie er, wird er immer stärker. Die beiden Häftlinge entwickeln
Verständnis füreinander und befreien sich von ihren Vorurteilen. Diese
Wandlung spielt Gaines so überzeugend – er wirkt plötzlich ganz sicher in
seinen Handlungen und wäre sogar bereit, für Valentin zu sterben. Er ist
unfähig, sein altes Leben weiterzuführen – hin- und hergerissen zwischen dem
alten und dem neuen Molina. Eine ganz starke schauspielerische Leistung, die
noch unterstützt wird durch sehr gute Interpretation der Lieder und
zusätzliche Tanzeinlagen. Eine so komplexe, alles umfassende Rolle muss ihm
einfach alles abverlangt haben. Eine überzeugende Leistung - absolut
Spitzenklasse – wie nicht nur ich finde J (sondern auch alle Zuschauer, die ich über das Stück reden hörte). |
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Auch Thomas Christ in der Rolle des Valentin hat eine sehr
überzeugende Darbietung geliefert. Von dem aggressiven Guerillakämpfer, der
nichts und niemandem traut bis hin zum verständnisvollen Freund von Molina.
Auch seine Gesangsstücke waren eindrucksvoll und sehr gut dargeboten – in den
Duetten mit Gaines konnte man sich der Gänsehaut nicht erwehren. Thomas
Christ hat eine schwierige Rolle gemeistert, in der er sicher über viele
Grenzen gehen musste. |
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Aurora, die Spinnenfrau, wurde von Jackie Löwe wunderbar gespielt. Sie
erschien als verführerischer Todesengel mit rauchiger Soulstimme und
verführte ihre Opfer mit allen Mitteln. Als Traumfigur in den alten Filmen
erschien sie als große Diva, die mit Federboa und großem Hut. Sehr gute
Tanzeinlagen, spanisches Feuer und verführerische Gesten – die Spinne im
Netz, die ihre Opfer anlockte, verführte und dann trotzdem tötet !! |
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Ein sehr schwieriges, anspruchsvolles Stück, das ich aber trotzdem
ohne Vorbehalt weiterempfehlen kann. Durch die fast intime Atmosphäre des
Landestheaters erlebte man dieses Stück fast hautnah mit. Das war
beeindrucken und ging tief unter die Haut. Kein Stück für jeden Tag, aber ein
Stück das man einfach gesehen haben MUSS – besonders in dieser Inszenierung und mit diesen Darstellern. |
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21.03.2005 - G.K. |
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>>> Fotos von der Premierenfeier
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