Wir
haben das 5. Phantom gesehen!
Vorwort: Die folgende Kritik ist meine ganz persönliche Meinung – es gibt
wie immer Leute, die das anders empfinden oder auch anders gesehen haben. Ich
schildere meinen Eindruck. Meine Kritik klingt
vielleicht auf den ersten Blick sehr hart, aber ich schreibe es so auf, wie ich
es in dem Moment empfunden habe. Es war nicht alles negativ – ich habe
vielleicht bei dieser Kritik den Fehler gemacht und die negativen Seiten
besonders hervorgehoben – ich bitte, mir dies zu entschuldigen. Ich möchte
keinen der jungen Darsteller abwerten – alle waren „gut“ – aber eben nicht
„sehr gut“, wie man das derzeit so oft zu lesen bekommt. |
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Es wird so viel Lob
über das „fünfte Phantom“, Christian Müller, ausgeschüttet, dass wir wirklich
sehr gespannt waren, ihn auch einmal selbst auf der Bühne zu erleben. Als
Raoul hatten wir ihn schon zwei Mal gesehen und in der Rolle konnte er uns
auch wirklich überzeugen – nur konnte ich mir nicht so ganz vorstellen, dass
das auch als Phantom so sein würde. |
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Die Besetzung an diesem Abend sollte eigentlich
so aussehen – gespielt haben aber:
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Phantom Christine Raoul Firmin Andre Carlotta Piangi Madame Giry Meg Giry Reyer |
Ian Jon Bourg Sandra Danyella Christian Müller Ernst van Looy Daniel Pabst Laurie Ann
McGowan Daniel Brenna Gabriele Ramm Emma Marie Casey Andreas
Bühring |
Christian
Müller Sandra Danyella Lucius WolterErnst van Looy Fernand Delosch Laurie Ann
McGowan Daniel Brenna Gabriele Ramm Emma Marie Casey Daniel Pabst |
Die Auktion begann
und wir freuten uns mal wieder so richtig auf diese schöne Vorstellung, die uns
erwartete. Doch schon als der alte Raoul die Spieluhr ersteigert hat und sein
kurzes Lied singt, kam mir der ein bisschen komisch vor und ich überlegte, ob
Christian als alter Raoul so ausgesehen hatte? Und rechts beim
Korb steht doch Fernand? – also ist der doch da! Bei der Hannibal-Szene
konnte man das dann auch gleich besser sehen – ja, Fernand war da, aber
insgesamt waren irgendwie zu wenig Leute auf der Bühne. Bis dahin lief aber
alles noch so, dass es nur kleine Merkwürdigkeiten waren. Bei „Denk an mich“
von Christine saß dann tatsächlich nicht Christian in der Loge sondern
Lucius. Hm, merkwürdig! Warum drucken die Christian und er ist es dann doch
nicht? – hatte man vielleicht die Änderung gegenüber der
Nachmittag-Vorstellung vergessen zu ändern? Auch gut, Lucius geht ja auch als
Raoul. Allerdings ging mir
die ganze Zeit, während Sandra gesungen hat, durch den Kopf, dass die doch
eigentlich eine sehr gute Carlotta abgeben würde J. Als die Szene
vorbei ist und Christine und Meg zusammen hinter der Bühne sind, kommt mir
die Stimme vom Phantom bei „Bravi, bravi, bravissimi“ ein bisschen merkwürdig
hell vor – aber das kann täuschen, weil die Akustik in Reihe 7 anders ist als
in Reihe 1. Meg wurde übrigens
einmal nicht von der liebenswert überdrehten Annabel Knight gespielt, sondern
von Emma Marie Casey. Sie hat ihre Sache ganz gut gemacht. Eine wirklich sehr
zierliche Meg, die zwar nicht laut, aber immerhin fast richtig gesungen hat. Bei der Szene in
der Garderobe hat Lucius zwar auch einen recht strengen Ton, aber nicht so
herrisch und bestimmend wie Nikolaj Brucker. Sandra spielt diese Szene für
meine Begriffe nicht so gut, denn sie wirkt weder schüchtern noch
zurückhaltend – und das als junges Mädchen alleine mit einem (ja eigentlich)
fremden Mann in der Garderobe. Das „Impertinent“
klang weder impertinent noch furchteinflößend – zu hell und jung klang die
Stimme des Phantom hinter dem Spiegel. Und spätestens jetzt hätten wir
gewusst, dass da nicht Ian hinter dem Spiegel stehen kann L. Gesehen haben wir
das „neue“ Phantom dann zum ersten Mal als mit Christine im Boot in sein
unterirdisches Reich fährt. Das Titellied haben die beiden übrigens gut
gesungen – allerdings gefällt mir der letzte Ton von Sandra einfach nicht –
sie quietscht. Dann die „Musik der
Nacht“ – die Bewegungen sind ein bisschen zu viel und das Grinsen, das man
hinter der Maske zu erkennen scheint, passt nicht zu dem Lied. Die Betonung
klingt ein bisschen ungewohnt und die Stimme hat nicht so viel Volumen wie
ich es gewöhnt bin J, insgesamt passte
aber die Betonung. Allerdings war alles mit etwas zu viel Gestik, aber das
ist halt Geschmacksache und nicht unbedingt negativ zu sehen. Ich hatte aber
leider nicht das Gefühl, als würde sich in dem Moment eine neue
Beziehung zwischen ihm und Christine aufbauen – das wirkte alles ziemlich
unterkühlt und auf Abstand. Der nächste Morgen
– Phantom komponiert, blättert wild in den Noten, grinst und stöhnt – alles
ein bisschen dick aufgetragen. Christine kommt und zieht ihm die Maske
herunter. Er wird wütend und verfolgt sie über die ganze Bühne – alles zu
hektisch, mit doppeltem Text und nicht wirklich erschreckend. Auch das
Kriechen über die Bühne erzeugte bei mir nicht den gewohnten Effekt. Der
Abgang war’s dann gar nicht – der war viel zu langsam und gar nicht
bestimmend – nicht alles dass Sandra vorne weg gerannt wäre J. Da ansonsten ja
fast nur Erstbesetzung auf der Bühne war, lief der Rest der Vorstellung ganz
normal ab. Es gab auch keine Pannen oder Fehler. Don Attilio hat seine Sache mit
dem langen Ton sehr schön gemacht – die gleiche Handbewegung wie der Dirigent
und den Ton dann selbst abgewunken – und dann hat er sich sogar beim Publikum
bedankt. Das Phantom auf der
Galerie hat die Vorstellung von „Il Muto“ sehr interessiert beobachtet und
seine Drohungen gegen Carlotta auch schön „runtergebracht“. Dreckig Lachen
kann er auch. Die Dachszene
zwischen Raoul und Christine war zwar ziemlich laut, aber nicht so wirklich
gefühlvoll. Lucius sieht ja so aus wie Raoul aussehen sollte, aber seine
Stimme müsste noch etwas weicher, schmeichelnder werden und er müsste tschuldigung
mal die Zähne auseinander kriegen, damit der Ton da auch raus kann und sich
nicht durch die Nase einen Weg sucht. Ich versteh einfach nicht, warum die da
auf dem Dach so rumbrüllen – so würde sie jeder hören! Da brauchte sich das
Phantom nicht einmal auf dem Dach verstecken, DAS würde er im Keller hören J. Spielt die Musik
bei dem Zwischenstück eigentlich da immer so schräg oder war das nur dieses
Mal so? Das Phantom im
Engel – es hat nicht gelitten und hatte Probleme, seine Drohungen auch
mitzuteilen, hat sich in seinem Cape verheddert und die Stufen nicht auf
Anhieb gefunden – klingt böse, aber die Szene ist so wichtig und kam einfach
nicht richtig rüber. Ich hatte irgendwie den Eindruck, als wäre er froh, dass
der erste Akt endlich vorbei ist. Als der Leuchter
dann auf die Bühne stürzte, hat Raoul Christine wirklich im letzten Moment
erst weggezogen. Ach ja, für alle die es nicht glauben – Raoul steht schon
immer seitlich links auf der Bühne. Sonst könnte er Christine ja nicht so
schnell retten. ***** |
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Der zweite
Akt begann dann wieder mit dem Maskenball – Firmin und Andre tabben im Dunkel
auf der Bühne rum und Andre (Fernand) quiekt fast, als er mit Firmin zusammenstößt. Durch die Umbesetzungen sind auch
beim Maskenball Kostüme auf der Bühne, die man nicht immer sieht. Eine „Mary
Poppins“ oder so ähnlich war mir vorher noch nie aufgefallen. Emma Maria Casey,
die wir eigentlich nur im Zigeunerkostüm kennen, war recht ungewohnt im
Kostüm der Meg, das noch neu und ziemlich grell war. Nicht so sehr
aufgefallen ist bei der Vorstellung Mann/Frau, aber er hat Christine wieder
von Raoul getrennt – allerdings nicht so vordergründig. Das Phantom als
Roter Tod – wie anders doch jeder Darsteller diesen langen Umhang hält! Bis
er sein Plätzchen zum „Abtauchen“ auf der Bühne gefunden hatte, dauerte auch
einen Tick länger als gewohnt – aber diese Christine bietet ihm den Ring ja
förmlich an. Sie ist auch nicht entsetzt oder erstaunt, wenn sie zu Raoul
zurückgeht, sondern sie wirkt wütend. Ja hallo! – dann geh halt nicht hin,
wenn du wütend wirst! Die zweiten Briefe
sind ja wirklich ein sehr schwieriges Stück und ich hatte auch den Eindruck,
als hätte da nicht wirklich alles gepasst. Raoul hatte einmal seinen Einsatz
nicht richtig gefunden und Andre half ein bisschen aus J - nicht schlimm, ist nicht weiter aufgefallen. Die Drohung von
Raoul am Ende war dann doch eher ein Genuschel – „Das Phantom konnte nicht
auf dich hören, weil es dich nicht verstanden hat, Raoul!“ Ich überspringe die
Proben zu „Don Juan“, weil da keine besonderen Vorkommnisse waren. Das Lied
„Könntest du doch wieder bei mir sein“ singt Sandra für meinen Geschmack auch
viel zu laut. Da kommt keine Verbindung zum Vater auf, sie brüllt ins
Publikum, anstatt ihren Vater anzuflehen. Ich finde das einfach falsch
interpretiert – schade um das schöne Lied. „Rührendes Kind“
vom Phantom kam sehr schön lockend, allerdings hat er auch da schon ziemlich
heftig mit dem Stab rumgefuchtelt – weniger wäre mehr und nicht dauernd hin-
und herlaufen auch. Als Raoul dann dazu kommt, verteidigt er seine Christine
sehr schön und er versucht sie auch aus dem Gefahrenbereich zu führen – das
wirkt sehr fürsorglich und liebevoll und das möchte ich auch immer so sehen! Das Duett mit dem
Phantom – sowohl von Christine als auch von Raoul – war eher ein
gegeneinander ansingen. Da hätte ich mir ein bisschen mehr Übereinstimmung
gewünscht. Leider kam der große Feuerregen am Ende zu früh und die Drohung
wirkte deshalb nicht richtig. Die Szene „Don
Juan“ ist die Schlüsselszene im zweiten Akt. Mir gefällt die Darstellung von
Sandra dabei leider überhaupt nicht. Sie übertreibt die „Verlockung“
dermaßen, dass es schon billig und aufdringlich wirkt. Man muss den Apfel
nicht über die Innenseite der Beine führen und direkt über die Brust muss er
auch nicht abgerollt werden – es würde doch genügen, diese Szene anzudeuten –
weniger ist mehr (auch wenn ich mich wiederhole!). Da hat dieser Mann
Phantom (Christian Müller) so schöne Hände und setzt die ausgerechnet bei
dieser Szene im langen schwarzen Umhang nicht ein. Er sitzt fast regungslos
auf der Bank, die Hände auf den Knien – oh, wie viel Gefühl kann man damit
ausdrücken, wenn man sie ein bisschen bewegen würde! Ich überspringe
jetzt die Szenen von Sandra, weil mir ihre Darstellung einfach nicht gefällt
– ich hätte mit Beatrix zurückgewünscht! Christine
geht dann zum Phantom, der ja noch regungslos auf der Bank sitzt J - und verführt ihn – das heißt in dem Fall, sie knallt ihm
ihren Fuß auf die Bank, stößt ihm die Hände in den Rücken und denkt, dass ihn
das „entzückt“. Danach entdeckt sie die Maske unter dem Umhang und will
flüchten, wird aber (wie immer) zurückgehalten. Die nächste Szene
empfand ich als die beste von Christian Müller am heutigen Tag. Nachdem
Christine ihm die Kapuze vom Kopf gezogen hat, singt er herzzerreißend „Gib
mir Liebe...“ und gibt ihr seinen Ring, ja er beugt sich vor, als wolle er
ihr auch einen Kuss geben, weicht dann aber doch wieder zurück – und bekommt
im gleichen Moment brutal die Maske und die Perücke vom Gesicht gerissen. Die Flucht in das
unterirdische Labyrinth und eine Sandra, die ohne Übertreibung in ihrem
Brautkleid über die halbe Bühne rutscht, nachdem sie das Phantom
hereingezerrt hat. Sicher hat sie aus dem Grund auch immer ihre Knieschützer
an. Aber auch hier – weniger wäre mehr! In der folgenden
Szene müsste sich ein Gefühl zwischen Phantom und Christine aufbauen, sie
müsste nachdenklich werden und nicht immer noch mit ihm schimpfen – ich habe
es so empfunden, als könne sie ihn nicht leiden und nicht verstehen! Da kam
gar nichts – kein Knistern, kein Verstehen – leer! Als Raoul dann dazu
kommt, hat das Phantom ein ziemlich fieses Grinsen. Er sitzt auch recht
beleidigt in seinem Thron und wendet den Beiden den Rücken – nur über die
Schulter ruft er sein „...die Welt hat auch kein Mitleid mit mir“. Das Terzett im
Anschluss kam mir nicht so gut gelungen vor. Entweder hatte Christian seinen
Text nicht mehr oder ich hab ihn nicht gehört – jedenfalls sangen eine Weile
Christine und Raoul nur noch alleine. Dann der Kuss –
eine Szene, die so viel über die Darsteller aussagen kann. Das erste Mal
in der Geschichte musste ich bei der Szene lachen – ja sorry – aber das sah
einfach so aus, als hätte Krolock befohlen: „Saugt ihn aus!“. Warum kam
denn da so gar kein Gefühl rüber? Das wirkte so gestellt, so unecht – schade! Dass er anders
kann, zeigte Christian dann wieder, als er die Beiden verjagt und traurig
zurückbleibt – das war sehr schön gespielt und gesungen. Die Melodie der
Spieluhr und ganze leise und weinerlich dazu das Phantom – das nahm man ihm
ab, dass der da Gefühl für Christine hatte. Als sie dann den Ring
zurückbrachte, war auch einen kurzen Moment zu spüren, dass Christine etwas
für diesen Mann empfindet – leider sah Sandra aber so aus, als würde sie
gleich grinsen. Dann geht sie, er hält noch ihre Hand, aber sie geht dennoch.
Er bleibt entsetzt zurück – geht ihr ein Stück nach und ruft hoffnungsvoll
„Christine?“, als würde er sie noch im Dunkel vermuten. Dann erklingt das
Lied von Christine und Raoul und er erkennt, dass sie weg ist - das war wirklich gut gespielt! Auch
der letzte Ausruf „Nur allein...“ kam stark und überzeugend. Ein versöhnliches
Ende einer Vorstellung, die nicht wirklich überzeugen konnte. |
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So, jetzt noch ein
paar relativierende Bemerkungen zu meiner doch recht herben Kritik: Christian Müller (Phantom) – er kann ein sehr gutes Phantom werden.
Er muss diesen Weg weitergehen! Seine Stimme ist sehr gut und auch seine
Darstellung war teilweise schon wirklich gut. Insgesamt fehlte mir noch die
Tiefe, das Verständnis für die Figur, die Fähigkeit einem Monster einen
menschlichen Inhalt zu geben – alles wirkte noch ziemlich einstudiert und die
Bewegungen kamen nicht immer flüssig. Gefehlt hat mir auch, dass sich eine
gefühlsmäßige Bindung zu Christine aufgebaut hat – sie waren sich nie so
nahe, dass man ein Knistern hätte spüren können. Hoch anrechnen tue
ich ihm, dass er das Phantom nicht als Wahnsinnigen dargestellt hat. Die
Szenen, in denen er Hass und Wut zeigen musste, kamen überzeugend und nicht
übertrieben. Es gab sehr schöne
Szenen, bei denen man schon merken konnte, dass da sehr viel noch Potenzial
versteckt sein muss – und ich denke, so kurzfristig wie an diesem Tag in so
eine schwierige Rolle zu schlüpfen, das ist auch schon eine besondere
Herausforderung und die hat er gut gelöst. Sicher ist er insgesamt auch noch
ein paar Jahre zu jung für diese Rolle. Meiner
Meinung nach wäre es besser, wenn Christian noch eine Weile die „kleineren“
Rollen wie Raoul oder André spielen würde und sich so besser in das Stück
einarbeiten würde. Ich hatte Christian auch schon zweimal als Raoul auf der
Bühne. Diese Rolle füllt er wirklich aus, die spielt er glaubhaft und sehr
gut. Wenn ich meinen Lieblings-Raoul wählen müsste, würde ich Christian
wählen – aber als Phantom dauert das noch eine Weile. Lucius Wolter (Raoul) - wie
heißt diese blöde Bemerkung? – solide Leistung. Doch, das trifft es
eigentlich. Lucius sieht einfach so aus, wie man sich Raoul vorstellt. Er ist
stets bemüht, seine Christine zu schützen und drängt sich nicht unnötig in den Vordergrund (denn auch
das gibt es in dieser Rolle). Seine Stimme dürfte stellenweise etwas
liebevoller klingen und wenn er weniger nuscheln würde, wäre es auch besser.
Insgesamt finde ich aber, dass er ein guter Raoul ist und der Rolle das
richtige Leben einhaucht. 29.03.2006
– G.K. |
>>> Fotos vom Schlussapplaus <<<