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Kurzbericht zur Phantom-Vorstellung am 25. Juni 2006

 

Die Entzugserscheinungen treten bei mir spätestens nach vier Wochen auf und so war es auch endlich wieder an der Zeit nach Essen zu fahren und „Phantom“ zu tanken. Es war ein glühend heißer Sonntag und für den Abend waren Gewitter mit Unwetterpotenzial gemeldet – aber wenn man so verrückt ist wie ich, lässt man sich auch davon nicht abhalten.

 

Bis zur Vorstellung um 16.30 Uhr hatten wir noch Zeit, die wir dann schwatzend in einer Gaststätte verbracht haben – draußen war es einfach zu heiß, zu schwül – unerträglich!  Leider war es im Theater dann aber auch sehr heiß und nicht gerade gemütlich.

 

So, nun zur Besetzung – ich nehm sie der Reihe nach durch und erwähne unsortiert, was mir zu den einzelnen Darstellern einfällt J

 

Ian Jon BourgPhantom -  er hatte einen dieser Tage, bei dem es auf der Bühne schon knistert, wenn man nur die Stimme hinter dem Spiegel hört – und so zog sich das durch das gesamte Stück. Ich beschreibe mal ein paar Szenen, damit man sich das besser vorstellen kann.

 

Musik der Nacht: Er hat Christine in sein Versteck gebracht und bezaubert sie nun mit seinem Lied. Christine schaut mit großen Augen und gibt sich ganz der Musik hin. Er stellt sich hinter sie, berührt sie nur scheinbar und beginnt ganz langsam sie in seinem Takt hin und her zu wiegen. Dabei streicht er an ihrem Körper entlang, ohne sie anzufassen – schon alleine dadurch entsteht eine knisternde Spannung! Christine lehnt den Kopf zurück an seine linke Schulter und gibt damit ihren Hals frei. Er reagiert darauf und singt an ihrem Hals entlang nach oben, man wartet förmlich darauf, dass er sie gleich küssen wird. Den heißen Atem konnte ich förmlich spüren.

 

Zweite Demaskierung: Christine hat noch nicht bemerkt, dass der Mann unter dem Umhang das Phantom ist. Sie streicht ihm aufreizend über den Rücken, fasst nach den angebotenen Händen und schmiegt sich an. Dann bemerkt sie die Maske unter dem Umhang, erschrickt, kann sich aber nicht mehr aus dem Griff befreien. Der Wandel vom schmeichelnden Don Juan zum verzweifelten Phantom war klasse gespielt. Christine möchte, nachdem sie ihm die Kapuze heruntergezogen hat und nun das Phantom auch sieht, am liebsten die Bühne verlassen. Die Direktoren und Raoul hindern sie daran. Das Phantom ändert nun seine Taktik – er schmeichelt Christine mit einem Liebesgeständnis, so zart, so liebevoll, dass sie verzückt zuhört. Als er ihr seinen Ring gibt, realisiert sie seine Worte und will, dass er damit aufhört. Ihr Gesicht drückt all den Schmerz aus, den sie dabei empfindet und sie reißt in ihrer Not an der Maske – dabei fällt nicht nur die Maske, sondern auch die Perücke. Der verzweifelte, so tief traurige Blick, den Ian in diesem Moment hatte, den werd’ ich so schnell nicht vergessen. Nicht wütend, nicht böse, nicht verrückt!! - sondern einfach nur hilflos, traurig und verzweifelt. Man spürt, dass das Phantom keinen anderen Ausweg mehr hat als zu flüchten – und er zieht Christine mit sich.

Ich habe diese Szene selten so schön gespielt gesehen, vor allem weil auch Beatrix nicht nur dasteht und ihn wütend ansieht. Man kann an ihrem Gesicht ablesen, wie sie langsam begreift, was da passiert und wie ihre Angst zu Ärger wechselt.

 

Final Lair: Das Phantom kniet neben der Spieluhr, die ihm als einziger Zuhörer geblieben ist. Christine kommt zurück und sieht, wie er leidet. Trotzdem gibt sie ihm den Ring zurück, dabei schaut sie ihn mit schmerzverzerrtem Gesicht an und noch ehe er ihr etwas sagen kann, dreht sie sich um und rennt weg. Er steht da mit dem Ring in der Hand – wie ein begossener Pudel – läuft ein paar Schritte hinter ihr her und sagt ganz verzweifelt: „Christine.... ich liebe dich“. Für mich klang das so wie „Bleib...ich liebe dich doch!“ Aber sie ist schon weg.... Das anschließende letzte Aufbegehren „..nur allein mit dir wird es vollbracht....“ klingt so schmerzvoll, so hoffnungslos, dass man nur Mitleid haben kann.

 

 

Beatrix ReitererChristine - für mich derzeit die beste Christine in Essen. Sie spielt sehr schön die unschuldige, naive Christine. z.B. in der Garderobe, da fällt sie Raoul zwar spontan um den Hals, zieht sich aber gleich wieder zurück, als sie merkt, dass sie einen Mann umarmt hat.

„Denk an mich“ singt sie sehr gut – vor allem den Schluss, den sie mit ihrer starken Stimme bis zum letzten Ton gleich laut singen kann.

Nicht ganz so gut fand ich die „Il Muto“-Szene bei ihr, denn der „Kuss“ mit Carlotta mit dem zappelnden Bein  sah zu gestellt aus und der Abstand war seeehr groß J.

Die Dachszene spielt und singt sie sehr schön. Sie harmoniert auch gut mit Nikolaj Brucker.

Durch ihre beachtliche Größe wirkt der Tanz beim Maskenball vielleicht nicht ganz so grazil wie bei anderen Christines, aber die Schritte stimmen und die Freude am Tanz mit Raoul oder die Angst vor der Entdeckung der heimlichen Verlobung kann man in ihrem Gesicht lesen – sie lebt jede Szene mit.

Als der Rote Tod ihr den Ring entreißt, folgt sie ihm zuerst magisch angezogen, ist aber dann entsetzt, als er ihr den Ring abnimmt. Schön gespielt!

Etwas mehr Verzweiflung wäre bei den zweiten Briefen noch gut gewesen – man versteht sonst nicht so ganz, warum sie am Ende alles hinschmeißen will.

„Don Juan“ – diese Szene gefällt mir bei ihr am besten. Sie spielt mit dem Apfel, man versteht das Symbol und man versteht, was ihre Bewegungen uns sagen sollen und trotzdem wirkt es zu keiner Zeit obszön oder übermäßig aufreizend.  Auch wenn sie später hinter dem Phantom im Umhang steht, hat man zu keiner Zeit Angst, dass sie gleich über ihn herfällt – hab ich schon Ängste ausgehalten in Essen, doch, doch!  Besonders schön bei der Vorstellung von Sonntag war wieder mal das Spiel mit den Händen und dass Beatrix da auch mitgemacht hat.

Bei der Final Lair-Szene hatte ich einen günstigen Platz und konnte die Gesichter von Christine und Phantom aus der Nähe sehen. Es hat Spaß gemacht, den Wandel im Gesicht von Beatrix zu beobachten, wenn sie von Angst auf Hass und dann auf Mitgefühl umschwenkt. Man konnte alle Gefühle im Gesicht lesen, ohne dass sie etwas sagen musste.

Als sie ihren Raoul verteidigt, war das auch nicht übertrieben, sondern sie machte dem Phantom klar, bis hier hin und nicht weiter – du gehst zu weit! Er winkt dann auch fast beleidigt ab und wendet sich ab. Also nicht wütend oder aggressiv – auch das hab ich in Essen gesehen! – sondern verständnisvoll.

Bis es zum Kuss kam, sah man, wie sich das Gesicht von Beatrix veränderte, dann stand sie auf, zog ihn ziemlich schnell und heftig zu sich herum und küsste ihn – dabei krallte sie ihre langen Finger in seinen Rücken. Wie meinte die Frau neben mir so mitfühlend? – „Sisste!“ (soll heißen: Geht doch!).

Als sie den Ring später zurückbringt, schaut sie traurig, weil das Phantom ja verzweifelt mit seinem Äffchen redet. Leider hat sie diese Szene nicht so schön zu Ende gespielt – sie hat den Ring abgeliefert, geschluchzt und ist rausgerannt.

Insgesamt finde ich die Darstellung der Christine von Beatrix sehr gut – sie spielt so, wie man sich Christine nach dem Buch vorstellt.

 

Nikolaj Alexander BruckerRaoul -  Ich hatte ihn schon sehr oft als Raoul und ich bin nach sehr vielen Vorstellungen enttäuscht rausgegangen – er hat den Raoul für mein Empfinden einfach falsch gespielt. Seit Anfang Mai hat sich meine Meinung geändert – entweder hat er einen Zwillingsbruder oder er hat sein Spiel grundlegend durchdacht. Er hat die Härte herausgenommen. Er faucht nun Christine nicht mehr wütend an: „Wo ist dein roter Schal?“, sondern er fragt hintergründig nach. Insgesamt geht er liebevoller mit Christine um und auch das Zusammenspiel mit Beatrix hat mir sehr gut gefallen.

Etwas zu kurz gekommen ist er im Final Lair, aber das lag wahrscheinlich an meinen schlechten Platz – ich konnte die Bühne nicht komplett einsehen.

Stimmlich ist er auch viel angenehmer geworden, er trifft die Töne J und ist ein starker Gegenpart zum Phantom. Auch das Aussehen hat er der Figur angepasst – die Haare länger sehen besser aus! Doch, so stellt man sich Raoul vor!

 

 

Ernst van LooyFirmin – ich habe noch keinen schlechten Tag bei ihm erlebt – er ist eine Bank!!

 

 

Fernand DeloschAndré – hat sich inzwischen gut in seine Direktoren-Rolle eingelebt. Nicht mehr ganz so übertrieben und sehr gut im Zusammenspiel mit Ernst van Looy. Was mich stört? – „der Piccolist“ mit dem schrillen „-ist“ am Ende

 

 

Evelyn Werner - Carlotta – sie spielt gut. Man nimmt ihr die zickige Diva ab. Einen besonderen Lacherfolg hatte sie mit ihrem „Si-ä ist varruckt!“ Das klang so überzeugt in die Stille und der Saal lachte.

 

 

Daniel BrennaPiangi – der hohe Ton war wieder mal da!!! Seit langer Zeit hab ich endlich wieder mal kein Krähen, sondern den hohen Ton in der Hannibal-Szene gehört *freu*

Insgesamt spielt er sehr gut, er beschützt seine Carlotta, wo er nur kann, er ist beleidigt, wenn er als zu dick bezeichnet wird und er übertönt alle, wenn er seine „Primadonna“ lobt. Ich find ihn gut!

 

 

Marina EdelhagenMadame Giry – ich denke, dass es jede andere Darstellerin in dieser Rolle schwer hat gegen Gabriele Ramm zu bestehen, aber Marina Edelhagen ist eine sehr gut Madame Giry. Durch ihre Größe dominiert sie und durch ihre sehr kraftvolle Stimme.

 

 

Emma Marie CaseyMeg Giry -  sie ist so eine Liebe, aber ich finde sie mit dieser Rolle stimmlich überfordert. Gerade neben der kräftigen Stimme von Beatrix ging das Stimmchen von Meg fast unter.

 

 

Alexander Sascha NikolicMonsieur Reyer – Er hat sehr unscheinbar und zurückhaltend gespielt. Eigentlich finde ich es schöner, wenn Reyer ein leicht übertriebener Charakter ist, der lauthals mit seinen Ballettmädchen diskutiert.

 

 

 

 

Tja, was soll ich sonst noch berichten? – es gab keine Pannen, alle Vorhänge haben dieses Mal funktioniert und ich hab auch keine Textfehler bemerkt. Es war eine rundum schöne Vorstellung!

 

Als wir nach der Vorstellung rauskamen, entlud sich gerade ein ziemlich heftiges Gewitter. Na toll und dann ohne Schirm zum Bühnenausgang. Wir hangelten uns von Dachvorsprung zu Türeingang J. Zum Glück durften wir dann im Eingangsbereich des Theaters warten.

 

 

Gudrun Kauck, 28.06.2006

 

© der Castfotos bei Stage Entertainment

 

 

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