Mass
von Leonard Bernstein
Uraufführung am 08. September 1971 in
Washington DC
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Leonard Bernstein
hat das Werk im Auftrag der Familie Kennedy für die Einweihung des John F.
Kennedy-Centers of Performing
Arts der US Hauptstadt komponiert. Der 35. US-Präsident, der am 22. November
1963 in Dallas einem Attentat zum Opfer fiel, war das erste römisch-katholische Staatsoberhaupt der Vereinigten
Staaten. Und so traf Bernstein nicht von ungefähr die Entscheidung, eine
Messe zu seinen Ehren zu schreiben. Aber es sollte kein normales liturgisches
Werk sein, sondern eines, das die Glaubenskrise des 20. Jahrhunderts als
zentrale Krise darstellte. Bernstein gestaltete sein heimliches
Hauptwerk, wie er die „Messe“
bezeichnete, als Theaterstück für Sänger, Schauspieler und Tänzer. Die fünf
liturgischen Hauptstücke: Kyrie, Gloria, Credo, Sanctus und Agnus Dei - gesungen in lateinischer
Sprache und durch sogenannte Tropen unterbrochen und verbunden. Tropus
bedeutet in der Liturgie Erläuterung und Kommentierung. Und genau hier setzt
der Gegenwartsbezug der „Messe“ ein. Die
neuzeitlichen Texte schrieb Bernstein zum Teil selbst. Den größten Teil
lieferte sein Librettist Stephen Schwartz. In ihnen geht es um Zweifel an
göttlicher Willkür, Gerechtigkeitssinn, Kritik an einem Gottesbild, das den
höchsten Zuseher vom menschlichen Alltag entrückt. Die Handlung der
„Messe“ konzentriert sich um einen Celebranten. Der fühlt sich zwar als Mann
des Volkes wird aber durch der Gemeinde in eine Art Gottähnlichkeit gedrängt,
was ihn letztendlich zum Wahnsinn treibt. Das Ganze gipfelt in einer
Publikums- und Gottbeschimpfung. Der Celebrant zerbricht das Kreuz, vergießt
den Wein, zertrümmert den Altar. Dieses Umschlagen von Ekstase in Vandalismus brachte das
Werk in der Verruf einer Schwarzen Messe. Nach diesem Zerstörungsakt geht
Bernsteins Messe aber weiter. Die Gläubigen lassen sich aufrütteln und nehmen
den Wahnsinnigen wieder in ihrer Gemeinde auf. Musikalisch
nimmt Bernstein dabei Anleihen bei Mahlers 8. und Beethovens 9. Symphonie.
Das sind aber nur zwei von zahlreichen Stilelementen des Werkes. Bernstein
vollführt in seiner Messe eine grandiose Stilmischung von volkstümlicher
Marschmusik, Blues, Jazz, Rock, lateinamerikanischen Rhythmen, Gregorianik,
kunstvollem Chorstil bis hin zu symphonischen und avantgardistischen
Kompositionselementen. Die heterogenen musikalischen Gestaltungsmittel werden
durch eine konzertante Aufführung viel deutlicher, unabgelenkt durch das
dramatische Bühnengeschehen. Seit der
Uraufführung am 08. September 1971, die natürlich als Bühnenstück inszeniert
war, polarisiert Bernsteins Messe seine Zuhörerschaft. Nach einer Ewigkeit
des Schweigens – drei Minuten blieben die Zuschauer bei der Uraufführung wie
gebannt sitzen – brach ein fast halbstündiger Beifallssturm los. Aber es gab
auch Gegenstimmen, die das Werk als Blasphemie, Gotteslästerung, Provokation
empfanden. Der Vorwurf des
Eklektizismus, der Rückgriffs auf heterogene Stilmittel, ist heute über 30 Jahre später nicht
mehr aufregend. So wie die Geschichte der Vereinigten Staaten die Geschichte
von Menschen ist, die aus allen Teilen
der Welt eingewandert sind, um hier ein neues Leben zu beginnen, so ist die
Geschichte der amerikanischen Musik eine Geschichte ganz verschiedener
Stränge, die aus der ganzen Welt zu immer neuen Kombinationen
zusammengebracht wurden. Der Schlüssel zu
diesem Stück sollte lauten: „Singt Gott ein einfaches Lied“. „Mass“ war
vielleicht im Sinne von Leonard Bernstein ein „einfaches Lied“. Für uns
stellt es immer wieder eine Herausforderung dar, weil es so gar nicht in die
normalen Klischees passt. Leider wird es deshalb wahrscheinlich auch nicht so
oft zur Aufführung gebracht. John Cashmore hat sich zum „Spezialisten“ für dieses schwierige Stück
entwickelt. Nachdem wir es dann in Köln in der Philharmonie live erleben
durften, waren wir von dem eigenartigen Flair gefangen und fasziniert. „Mass“
sollte man sich in Ruhe anhören (*gönnen*) – ohne Vorurteile gegen über einer
Messe am falschen Platz oder sonstigen Konventionen – dann wird das Stück
durch die interessante Mischung von Stilelementen und wunderschönen Stimmen
seine Wirkung von ganz alleine entfalten. |
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G.K. 2005 |